Nichts wird gut

Sagt, – schreibt was Ihr wollt. Nennt mich herzlos oder ignorant.

Ich bin nicht geschockt.

Aber: Das, was gestern in Paris passierte, dieser Horror, dieser Rückfall in die Bronzezeit (Oder der Schritt in eine „neue“ Zeit?), diese furchtbaren Taten und die grenzenlose Trauer der Hinterbliebenen sind seit gefühlter Ewigkeit traumatisierender Alltag für den friedliebenden Menschen in Nigeria, für die Eltern der Opfer des Drogenkriegs in Mexico, für die Iraker seit dem ersten Golfkrieg, für die afghanischen Bürger seit der Machtübernahme der Taliban, für die Syrer seit dem Befreiungskampf, den wir so hoffnungsvoll arabischer Frühling nannten, für die Libyer, die wir nach unseren heldenhaften Luftangriffen das Chaos hinterließen, für den zerissenen Sudan und das in von Schreckensherrschern zerstückelte Somalia und nicht zuletzt für den israelischen Bürger, der täglich sein Mitmenschen mit höchstem Misstrauen beobachtet, weil er ihn mit einem Messer an die Gurgel springen könnte. Es gibt so viele die ich vergesse. So viele. Das macht mich traurig.

Und ich bin mitschuldig an all diesen Toten, an der Trauer der Hinterbliebenen, weil ich wie die Made im Speck von einer Zeit und in einem System lebe, dass all diesen Horror produziert.

Ich bin mitschuldig, weil ich nicht entschlossen genug gegen diesen über Leichen gehenden Massenwahn angetreten bin, der sich Religion nennt.

Ich bin mitschuldig, weil ich nicht entschlossen genug gegen diese Tötungsmaschine Kapitalismus kämpfe.

Ich bin mitschuldig, weil ich nicht entschlossen gegen den Militarismus und die Kriege gekämpft habe, die ebenfalls Öl auf das Feuer der hazardierenden Mörder sind.

Und das Schlimmste: In nicht allzu ferner Zukunft werde ich mein Leben weiter so führen, als wenn es diesen Schrecken nicht gibt.

Die größte Angst, die wir nun haben sollten, ist die vor unseren eigenen Affekten: Mit Schrecken – und die Bilder sind wieder da – denke ich an den sinnlosen Überfall der Amerikaner auf Afghanistan nach dem 11. September 2001 und die Kriege im Irak.

Diese Spirale muss ein Ende haben.

Nein! Ich bin nicht geschockt. Ich bin traurig wegen all der unglücklichen Hinterbliebenen.

Nichts wird gut.

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